Erstes rheinhessisches Mundart-Lexikon ist erschienen
Wissen Sie, was ein Äschegrädzje ist? Oder eine Baddschkabb, ein Ebbededzje, Deedz, Dollbohrer, eine Dunsel, ein Fuggemacher, Griewehals, Heggebankert, Hoschbes, Huschde-Gudzje, Huwwel, Kabbes, Kadzuff, Monder, Olwer, Piffsche, Schwolleschee, Zwoggel ...
Oder wie man sich fühlt, wenn man dormelisch oder figgerisch ist?
Nein? Dann sollten Sie einfach mal in unserem Rheinhessischen Mundart-Lexikon nachsehen …
Mit seinem Rheinhessischen Mundart-Lexikon schließt Hartmut Keil nämlich eine schon seit langem bestehende Lücke: Ein populäres Gebrauchslexikon, das für ganz Rheinhessen Gültigkeit hat und nicht nur Teilgebiete wie zum Beispiel ‚Schimpfwörter’ oder ‚Rheinhessisch mit französischem Ursprung’ abdeckt, fehlte bisher.
Nach einer unglaublichen Fleißleistung des Zusammentragens und der Systematisierens legt Hartmut Keil sein Mundart-Lexikon mit drei Teilen vor:
Es besteht aus einer kurz gefassten Einleitung mit u.a. einer Einführung in die Grammatik: Hier findet man etwas über den rheinhessischen Relativsatz mit der „wu-Konstruktion“ oder zu dem – so könnte man ihn zum Beispiel nennen: – ‚besitzanzeigenden Dativ’, denn der Genitiv wird im Rheinhessischen kaum benutzt. Außerdem gibt es eine Einführung in den Gebrauch des Mundart-Lexikons: Hier wird der Gebrauch der phonetischen Umschrift erläutert, die einerseits lesefreundlich sein soll und andererseits Unterschiede deutlich machen soll; vgl. Aamer, Ããmer, Äämer, Oomer – alles als Aussprachemöglichkeiten für ‚Eimer’.
Im zweiten Teil (Rheinhessisch – Deutsch) werden rheinhessische Wörter ins Hochdeutsche übersetzt. Sie werden zum Teil etymologisch erklärt und mit einem Beispielsatz versehen:
Bladd budze – 1) Platte säubern, 2) abhauen. Kommt aus dem Jidd. „plete“ (fort) und „puz“ (sich zerstreuen). Auf, duh die Bladd budze!
Lamäng – aus der Hand; kann auch bedeuten, etwas spielend bzw. ohne Probleme zu erledigen. Kommt aus dem Franz. „la main“ (die Hand). Der machd alles aus de Lamäng.
Im dritten Teil (Deutsch – Rheinhessisch) geht es wie in jedem anderen Wörterbuch auch um die Übersetzung von hochdeutschen Wörtern in rheinhessische:
kaputt – Dalles (des hod de Dalles), die Kränk (des hod die Kränk), fudsch, hie, hobbs
(Unter uns: Hätten Sie als Rheinhessin oder Rheinhesse diese Prüfung bestanden und fünf Varianten für ‚kaputt’ nennen können? – Ich ja sowieso nicht!) Gerade an so einem Beispiel wird deutlich, was Volker Gallé in seinem Vorwort meint, wenn er dort schreibt:
Ein Lexikon jedenfalls zeigt, welch wunderbarer Schatz uns mit den historisch gewachsenen Mundarten gegeben ist, ein Schatz, über den wir uns freuen und mit dem wir spielen sollten.
Zusammengefasst heißt das: Das Rheinhessische Mundart-Lexikon ist also eine Übersetzungshilfe für alle Neu-Rheinhessen, aber auch ein wichtiges Nachschlagewerk für alle Rhoihesse, denn die rheinhessische Mundart ist so mannigfaltig und von Ort zu Ort so verschieden, dass selbst waschechte Rheinhessen in diesem Lexikon noch unbekannte Wendungen finden können.
Aber Hartmut Keil ist mit seinem Rheinhessischen Mundart-Lexikon auch ein sehr unterhaltsames Buch gelungen, in dem man sich mühelos festlesen kann … Und in dem man ganz nebenbei einiges über die (Kultur-) Geschichte lernt, ebenso wie man etwas über die Mentalität und das Wesen derjenigen Menschen erfährt, die Rhoihessisch sprechen oder besser: babbele.
Wenn Sie sich fragen sollten, wie nah eigentlich ein Mundart-Lexikon an die heutzutage gesprochene Mundart kommt, kann ich Sie nur auf den Begriff der „Wudze-I-Mäil“* hinweisen: Allein die Tatsache, dass in unserem neuen Rheinhessischen Mundart-Lexikon der Begriff „Wudze-I-Mäil“* aufgenommen ist, zeigt wie aktuell und anpassungsfähig Mundart sein kann.
Und diese Tatsache zeigt weiterhin, dass an so einem Mundart-Lexikon eigentlich immer weitergearbeitet werden muss und es ständig aktualisiert werden sollte.
Dazu rufen Hartmut Keil und ich ausdrücklich auf! Wir schlagen allen Leserinnen und Lesern vor, uns ihre Ergänzungen, Anregungen, Korrekturen oder Diskussionsbeiträge per Mail, per Fax oder per Brief zu schicken! An den Leinpfad Verlag, Leinpfad 5, 55218 Ingelheim, Fax: 06132/896951, info@leinpfadverlag.de oder an www.rheinhessisches-mundart-lexikon.over-blog.de
Denn diesen Blog hier schreiben:
- Hartmut Keil, der Autor, gebürtiger Wormser, für den Hochdeutsch die erste Fremdsprache war;
- Angelika Schulz-Parthu, Verlegerin, wurde in der Nähe von Hannover (!) geboren; für sie war Rheinhessisch die erste Fremdsprache
- und Sie!
*Wudze-I-Mäil – E-Mail mit obszönem oder pornografischem Inhalt. Isch hab jo schunn widder so e Wudze-I-Mäil kried.